Rainer Wagner von der DAK-Gesundheit (links) und SHG-Vorsitzender Gerd Kästel. Foto: C. Kneisel
Gera. Die 600 Euro sind bereits auf dem Konto. Gestern gab es den symbolischen Scheck dazu: Die DAK-Gesundheit unterstützt auch 2018 wieder die Selbsthilfegruppe für Arm- und Beinamputierte „Stehauf“ in ihrer Arbeit. „Für uns ist die Förderung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe mehr als nur eine gesetzliche Aufgabe“, sagt Rainer Wagner, Chef der DAK-Gesundheit in Gera. Gerade für Betroffene mit seltenen oder sehr langwierigen Erkrankungen sei es schwierig, verständnisvolle Gesprächspartner außerhalb der Familie zu finden. Um ihr Beratungsangebot noch weiter forcieren zu können, dafür kann die SHG „Stehauf“ die Geldspritze gut gebrauen. „Wir haben vor einigen Jahren die Peer-Beratungen ins Leben gerufen. Betroffene beraten hier Betroffene. Mittlerweile sind wir dafür nicht nur in Gera unterwegs, sondern auch in Kliniken in Erfurt, Reha-Häusern in Bad Klosterlausnitz und anderswo. Selbst Mediziner bestätigen uns, dass dies sehr viel bringt, denn Betroffene brauchen dann weniger Medikamente und Psychologen, da die Amputierten nicht mehr in ein Trauma hineinrutschen“, erklärt SHG-Vorstand Gerd Kästel. Mit dem Geld finanziert „Stehauf“ künftige Weiterbildungen.
Christiane Kneisel / 15.11.18
OTZ 14. Dezember 2018
Selbsthilfegruppe „Stehauf“ sieht das Gesundheitsministerium in der Pflicht. Es forciert eigene Projekte.
Selbsthilfegruppe „Stehauf“ für Arm- und Beinamputierte. Von links: 1. Vorsitzender Gerd Kästel, 2. Vorsitzender Gerd Lösche und Schatzmeister Jürgen Schulz. Schatzmeisterin Sonja Klein, konnte leider bei dem Treffen nicht dabei sein.
Foto: Christiane Kneisel
Gera/Pösneck. „Nach zwei Weltkriegen fehlt immer noch ein Amputationsregister in Deutschland. So könnten alle Beteiligten wie Ärzte, Sanitätshäuser und Hilfsmittelhersteller eine sichere Planungsübersicht erhalten. In Schweden beispielsweise funktioniert das gut“, sagt Gerd Kästel, 1. Vorsitzender der Selbsthilfegruppe (SHG) „Stehauf“ Gera. Wie oft er schon auf dieses Manko hingewiesen hat, weiß er nicht. Aber er weiß, dass alle Mitglieder des Geraer Vereins enttäuscht vom Gesundheitsministerium sind, das bisher keine wirklichen Verbesserungen für amputierte Menschen in Deutschland auf den Weg gebracht hat.
„Und auch bei der Schmerz- und Traumaverarbeitung Amputierter steht Deutschland immer noch ganz am Anfang“, so Kästel. Das hänge auch damit zusammen, dass die Betroffenen im Vergleich zu Diabetikern eine relativ kleine Gruppe sind. „Da ist die Bereitschaft, Geld zu investieren, nicht sehr groß“, merkt er kritisch an. Auch hier wäre ein landesweites Amputationsregister, für das es übrigens zu DDR-Zeiten schon Ansätze gab – sehr hilfreich.
Zumindest die Vereinsmitglieder setzen sich intensiv mit dm Trauma-Thema auseinander und entwickeln dazu eigene Projekte. Für 2019 ist beispielsweise dazu ein Vortrag mit Filmvorführung vorgesehen. Die SHG ist zudem gefragter Partner bei Beratungen von frisch Amputierten – und sorgt für die regelmäßige Weiterbildung von Mitgliedern für diese sogenannten Peer-Beratungen. „So viele Beratungen in Krankenhäusern Thüringens wie in diesem Jahr hatten wir noch nie.“, erzählt Gerd Kästel. Er selbst hatte 20. „Das Trauma ist bei jedem frisch Amputierten überhaupt das Wichtigste, was verarbeitet werden muss. Geschieht dies schnell und gut, kann der Betroffene viel besser wieder sein Leben meistern. Ansonsten bleibt er oft ein Leben lang in psychiatrischer oder psychologischer Behandlung.“, erklärt Gerd Kästel. Zudem gebe es kaum Möglichkeiten, wie derartige Blockaden im Körper gelöst werden könnten. „Das schaffen höchstens sehr gute Psychologen, aber die Schulmedizin ist dazu noch nicht in der Lage.“ Eine Grundlagenstudie nach Präventionsvorgaben würde gegen die Spätfolgen nach Amputation bundesweit einheitliche Möglichkeiten schaffen, die Lebensqualität bis in hohe Alter abzusichern. Gleichfalls fehlen Amputierten-Spezial-Sprechstunden in jedem Bundesland.
Überhaupt fühlen sich Betroffene im Alltag oft benachteiligt. „Wir sind vielfach eingeschränkter als andere Behinderte“, beschreibt Kästel. „Das beginnt im Schwimmbad. Ein Rollstuhlfahrer bekommt die entsprechende Kabine. Der Amputierte müsste eine kleine Kabine nutzen. Dort sind die Sitze aber viel zu kurz, um sich hinzusetzen geschweige denn eine Prothese anzuziehen.“ Und eine Regelung wie in Frankreich, auch Unterschenkel- und Oberschenkel amputierte Menschen mit einer Sonderparkgenehmigung auszustatten, bleibt Deutschland den Betroffenen bisher ebenfalls schuldig.“
Für die Arbeit vor Ort würde der SHG „Stehauf“ vor allem eines helfen, ein Vereinshaus in Gera als zentraler Anlaufpunkt. Momentan hat der Verein „Stehauf“ sein Domizil in der Pension Müller in Pösneck bei Wünschendorf.
Christiane Kneisel / 14.12.18
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